Dienstag, 27. Dezember 2011

Weihnachten in den Bergen

Weihnachten haben wir im Bergdorf Putsil verbracht. Wir wurden von vielen Leuten, wie zum Beispiel unserem Campusgärtner der auch aus Putsil kommt, vorgewarnt, dass wir nicht sehr viel Schlaf finden werden in den Nächten. Genau so kam es dann auch.
Am 24. wurden wir morgens ins Dorf hochgefahren und quartierten uns im dortigen Comunity Center ein. Abends gab es den ersten Gottesdienst bei sehr schönem Kerzenlicht und vielen Liedern.
Nach circa einer Stunde wurde dann alles beiseite geräumt, was sich noch auf dem Dorfplatz befand und die Trommeln rausgeholt. Bis spät in die Nacht oder eher früh in den Morgen wurde Demsa getanzt. Dafür bilden sich eine oder mehrere Gruppen in Reihen. Jeder fasst seinem Vordermann mit der rechten Hand auf die rechte Schulter. Im Rhythmus der Trommeln bewegt sich die Schlange dann vorwärts, wobei der erste der Reihe immer wieder Choreographien tanzt, in die die Gruppe dann sofort mit einsteigt. Dieser Tanz wird hier auf so ziemlich allen Adivasidörfern getanzt, die wir besuchen und nach einiger Zeit bewegen sich die Füße jedes Mal wie von selbst und man nimmt nur noch die Trommeln und die anderen Tänzer wahr.
Als die Trommler nichtmehr konnten wurden die Boxen angemacht und als ich morgens um sechs kurz durch die Kälte aufwachte (hier in den Bergen wird es nachts bis zu 2°C kalt und im Comunity Center war es genau so kalt wie draußen) hörte ich immer noch die Musik aus den Boxen und Stimmen von Jugendlichen.
Am Morgen wuschen wir uns dann mit kaltem erfrischendem Bergwasser wuschen uns die Zähne mit Ästen (Die Menschen holen sich morgens kleine Äste von einem bestimmten Baum, ziehen einen Teil der Rinde ab und kauen einige Zeit auf diesem Ast und viele haben erstaunlich gute Zähne) und warteten am Feuer am Rand des Dorfes auf das Frühstück.
Um 12 Uhr fing der Hauptgottesdienst an. Er ging über vier Stunden und es wurde wieder sehr viel Gesungen und natürlich die Weihnachtsgeschichte erzählt. Am Ende des Gottesdienstes brachten die Frauen Reis, Kokosnüsse und Hühner nach Vorne als  Kollekte.
Sofort wurde wieder alles freigeräumt und die Boxen angeworfen. Zunächst tanzten und hüpften nur die kleineren Kinder über den Platz während die älteren noch schnell etwas aßen und den Rest aufräumten. Dann tanzte wieder das ganze Dorf bis circa sechs Uhr, als einer der Jugendlichen das Mikrophon in die Hand nahm und eine sehr interessante und lustige Auktion begann. Es wurden alle Kokosnüsse versteigert, die vorher zum Altar gebracht wurden und so ziemlich alle haben mitgeboten. Am Ende gingen die Gebote bis zu 100 Rupien hoch (auf dem Markt kostet eine Kokosnuss zurzeit 10 Rupien) und die Stimmung steigerte sich mit jeder Rupie, die geboten wurde.
Als alle Kokosnüsse vergeben waren begann wieder das große Tanzen. Es bildeten sich drei Gruppen, die sich über den Platz schlängelten und es immer wieder geschickt schafften Kollisionen zu vermeiden.
Am nächsten Morgen traf uns dann fast der Schlag als uns gesagt wurde, dass alle Jugendlichen, die mindestens so wenig geschlafen hatten wie wir,  vorhaben eine Partie Cricket zu spielen. Das Cricketfeld von Putsil befindet sich auf einem Plateau über dem Dorf und es dauert ungefähr 20 Minuten zu diesem Feld hoch zu klettern und entsprechend erschöpft kamen Freddy und ich dann auch auf dem Spielfeld an. Das Spiel war im Gegensatz zu den Spielen mit den Kindern vom Campus richtig professionell und ich merkte schnell, dass Cricket doch gar nicht so einfahr ist wie ich bis jetzt dachte. Viele der Jungs spielen in Collegemannschaften und einer wurde sogar zum Testtraining der Auswahl des Bundesstaates Orissa eingeladen.

Für mich hat der Begriff Weihnachten „feiern“  in diesen drei Tagen eine völlig neue Bedeutung bekommen. Es hat wirklich das ganze Dorf drei Tage lang gemeinsam gefeiert. Ein Teil waren natürlich die Gottesdienste und das Tanzen. Ein weiterer Aspekt war jedoch auch, dass am 25. und 26. für das ganze Dorf auf einem Platz am Rand des Dorfes gekocht wurde und über Weihnachten waren immerhin 500 Leute in Putsil. Auch wenn wir zurzeit für die Kindernothilfe die Kinder interviewen sagen bestimmt 95%, dass Weihnachten und nicht etwa der Geburtstag oder andere Feiertage, das ist worauf sie sich am meisten freuen im Jahr und es stimmt, dass ich diese Kinder noch nie so ausgelassen und fröhlich gesehen habe wie während sie zur Musik hüpften und auch ansonsten während der Feiertage.


der Platz wird geschmückt

Gottesdienst bei Kerzenlicht
die Freiluftküche
auf dem Cricketfeld

Putsil vom Cricketfeld

Dienstag, 13. Dezember 2011

Kolkata


Von Bissamcuttack fuhren wir direkt nach Kolkata, einigen vielleicht noch besser als Kalkutta bekannt, zusammen mit Gyde und einem Jungen namens Gabriel, der auch in Bissamcuttack arbeitet und vorher einen Monat in Kolkata gelebt hat. Dort blieben wir vom 2.12. bis zum 5.12.
Für mich ist Kolkata eine Stadt, die zugleich abstößt und anzieht. Ich habe noch nie eine so dreckige Stadt gesehen und gerade dieses Extrem ist nach einer kurzen Gewöhnungsphase auf eine komische Weise interessant. Für die Straßenkinder und die Bewohner der Slums bietet Müll eine kleine Einkunft und schafft somit auf gewisse Weise Arbeitsplätze. Die Bewohner der Stadt müssen sich auch mit dem Dreck abgefunden haben, da sie es sind die den Dreck auf die Straße schmeißen.
Außerdem ist die Stadt extrem voll. Gerade in der engen Altstadt kann man kaum die Straße überqueren und in den engen Gassen nehmen die Stände der Händler fast den gesamten Platz ein. Aber auch damit kommt man mit der Zeit klar und wenn man mal eine kleine Pause von der Hektik auf der Straße braucht bietet Kolkata immer wieder kleine Oasen zum entspannen und sogar Natur genießen.
Zum Beispiel waren wir auf einem alten Friedhof aus der Kolonialzeit mit Gräbern ehemaliger Generäle der East India Trading Company aus dem 17. Jahrhundert. Die alten, großen Gräber waren zwar noch alle sichtbar, aber ansonsten kam man sich durch die Lianen behangenen Bäume vor wie im Dschungelbuch.
Ein zweiter recht interessanter Ort war eine armenische Kirche, die den Opfern des türkisch armenischen Krieges gewidmet war und obwohl wir direkt am Markt in der Altstadt waren war es extrem ruhig auf dem Gelände.
Erstaunlich entspannt war auch unsere Zeit bim Victoria Memorial. Obwohl das eine der Hauptattraktionen ist in Kolkata konnten wir uns wirklich schön auf dem Rasen im Garten ausruhen.
Am Sonntag waren wir dann im deutschen Konsulat zum Adventskaffee trinken. Für uns war es echt nett in Indien deutsche Weihnachtslieder zu singen und Kuchen zu essen, von dem man nicht sofort einen Zuckerschock bekommt.
Ansonsten haben wir noch einige Dinge gesehen und erlebt, über die ich noch ausführlicher separat schreiben werde, wie zum Beispiel unsere Begegnung mit Sadhus, ein Ausflug zum Müllberg von Howrah und natürlich die Zugfahrten. 

Müll auf der Straße


der alte Friedhof

Hof der armenischen Kirche

Victoria Memorial


 
Sadhus

Auf unserem Weg durch Kolkata hatten wir eine sehr interessante Begegnung mit Sadhus. Sadhus sind Hinduisten, die völlig dem weltlichen Leben entsagen. Unsere Sadhus haben in einem kleinen Gebäude direkt am Ghat unter der Howrah Bridge gelebt. Ein Ghat ist eine Treppe zu einem Fluss zum rituellen waschen und die Howrah Bridge ist die meist befahrene Brücke der Welt. Kolkata liegt am Fluss Hugli, der ein Seitenarm des Ganges ist, weshalb ihm auch gewisse heilige Kräfte zugeschrieben werden.
Das Treffen war sehr herzlich. In etwas gebrochenem Englisch haben sie versucht uns ihre Götter zu erklären und außerdem wurde sofort jemand losgeschickt, um uns Chai (Milchtee) zu besorgen. Regelmäßig wurde Gabriel ein Handy gegeben, damit er mit dem Guru der Sadhus reden konnte, der sich natürlich sehr darüber freuen würde auch unser Guru zu werden.
Am Ende haben sie uns noch einige Positionen zum Meditieren gezeigt, die wir jedoch alle nicht nachmachen konnten. Bei einer Position musste man sich im Schneidersitz setzen, die Arme durch die Beine auf den Boden stellen und diese dann durchdrücken, so dass man dann einen Handstand im Schneidersitz macht. Keiner von uns war jedoch gelenkig genug das zu schaffen, auch wenn wir es später noch einige Male versucht haben.
Der einzige unschöne Moment war, als plötzlich ein weiterer Sadhu mit einem Messer bewaffnet auf uns zukam. Als er bei uns ankam, fing er an auf Bengali zu schimpfen und mit dem Messer vor meinem Gesicht zu fuchteln, da ich ihm durch Zufall am nächstem saß. Der Mann musste bei unseren neuen Freunden jedoch schon bekannt gewesen sein, da sie sofort einen ihrer Schüler, der zufällig bei der Armee war, anwiesen den Mann wegzuschieben, was natürlich einem älteren Mann gegenüber extrem respektlos ist. Jedoch blieb ein recht mulmiges Gefühl nach dieser kleinen Messerattacke.
Zum Abschied haben sie uns nach einer kleinen Spende gesegnet, indem uns Asche auf die Stirn gedrückt wurde und wir haben gemerkt, dass sie sich wirklich darüber gefreut haben, dass sie unsere Gastgeber sein durften. Mimi und Gyde mussten sich die Asche jedoch selber auf die Stirn drücken, da diesen Sadhus verboten war Frauen zu berühren.

Der Ghat

 
Ghat von der Brücke

Brücke vom Ghat



Eingang zum Ghat

Sadhu im Handstand

Sadhu
Der Müllberg von Howrah

Den wohl interessantesten und bedrückendsten Ausflug in Kolkata machten wir zum Müllberg von Howrah. Ich kann nicht sagen wie viel Müll dort liegt, von wo der überall her kommt und wie hoch die Berge genau sind aber wenn man davor steht verschlägt es einem den Atem und nicht nur wegen der Luft. Der Hügel ist sicherlich 25-30m hoch und erstreckt sich über bestimmt fünf Fußballfelder oder mehr. Und das schlimmste daran ist, dass er einfach so mitten in der Stadt steht, ohne Zäune oder andere Absperrungen und um den Berg herum bildete sich mit der Zeit ein großer Slum. Wir gingen einige Schritte in den Berg hinein, wo sich eine Straße befand für die Laster, die den Müll auf den Berg fahren und gerade als wir oben ankamen sahen wir wie einer dieser Laster entladen wurde. Kleine Kinder liefen durcheinander und sammelten Plastik auf, das sie weiter verkaufen können und die älteren Jugendlichen standen auf dem Laster um den Müll hinunter zu schaufeln. Zwischen allen diesen Leuten liefen mindestens drei Mal so viele Schweine herum, die mit ihrer Nase den Müll nach Essbarem durchpflügten. Das Auffälligste war jedoch der Rauch der über dem ganzen Berg hing. Zwar waren überall kleine Feuer verteilt auf denen Müll verbrannt wurde, jedoch schien auch der ganze Berg an sich zu qualmen.
Der Grund warum wir nach Howrah fuhren war, dass Gabriel uns zwei Freunde vorstellen wollte, die dort auch freiwilligen Arbeit machen und unteranderem in einer Schule arbeiten, wo Kinder aus diesem Slum unterrichtet werden, um sie von dem Müllberg herunter zu holen. 


Donnerstag, 8. Dezember 2011

Bissamcuttack


Vom 28.11. bis zum 1.12.2011 waren Freddy, Mimi und ich zusammen in der Kleinstadt Bissamcuttack. Dort haben wir unsere Freundin Gyde besucht, die im Christian Hospital Bissamcuttack für drei Monate arbeitet.
Wir haben über die wenigen Tage einen sehr interessanten Einblick in den Alltag im Krankenhaus bekommen und durften bei jedem Arzt mal vorbeigucken.
Beim Kinderarzt waren sehr viele Kinder mit Malaria und oft kam für sie die Behandlung viel zu spät, weil die Eltern erst im letzten Moment zum Arzt gehen oder die Dörfer einfach zu weit weg liegen, um eben mal ins Krankenhaus zu fahren.
Außerdem durften wir uns die Geburtenstation genauer angucken. Dir Kinder haben im Durchschnitt nur etwa 1,5 kg das ist extrem wenig im Vergleich zum deutschen Durchschnitt von etwa 3,5 kg. Das Problem ist, dass die meisten der Mütter noch sehr jung sind und die Mehrzahl der Frauen viel zu wenig Nahrung bekommen während der Schwangerschaft. Viele der Kinder brauchten immer wieder eine Herzmassage und künstliche Beatmung während wir auf der Station wahren, weil sie zu schwach waren um selber zu atmen und das Herz regelmäßig aussetzte.
Für mich persönlich war jedoch die Zeit bei den Chirurgen am interessantesten. Wir durften bei insgesamt fünf Operationen zuschauen. Weil ich beim Anblick der Operationen nicht schwitzend zusammengebrochen bin oder mit Würgereitz den Raum verlassen musste durfte ich bei der letzten OP sogar assistieren und die Wunde aufhalten, während die Chirurgen im Körper zugange waren. Am faszinierendsten war für mich jedoch ein Kaiserschnitt. Es war ein toller Moment, als nach einigen vorsichtigen Schnitten ein schreiendes Baby aus dem Bauch gezogen wurde. Das Kind war erstaunlich groß und sehr gesund und den Schwestern war die Freude und Erleichterung sehr anzusehen.
Die Philosophie des Krankenhauses ist das von den Ärzten so genannte „Robin-Hood-Prinzip“. Sie ködern mit ihren sehr guten Dienstleistungen die Reichen aus der Umgebung, um mit dem eingenommenen Geld dann die armen zu behandeln, die selber einen Krankenhausaufenthalt auf keinen Fall bezahlen könnten. Trotzdem sind sie natürlich auch auf Spenden angewiesen, weshalb sie sehr eng mit dem NMZ zusammenarbeiten.
Auf dem Gelände befindet sich außerdem noch eine erstaunlich gut ausgestattete Schule mit sehr schönen Physik-, Chemie-, Bioräumen und sogar einem Computerraum, wo die Kinder gerade das Umgehen mit Powerpoint gelernt haben, als wir reingeschaut haben.

bereit zum arbeiten

2 Schwestern im OP