Samstag, 26. November 2011

Kindernothilfe


WIDA arbeitet schon seit vielen Jahren mit der Kindernothilfe zusammen. Seit 2009 arbeiten sie auch im Bereich der Kinderpatenschaften mit der deutschen Organisation zusammen. Insgesamt werden so 300 Adivasi- und Dalitkinder aus dem Koraput District unterstützt. Anders wäre es ihnen nicht möglich zur Schule zu gehen oder sogar einfach genügend Nahrung zu bekommen. Überall sieht man hier tagsüber Kinder auf den Feldern arbeiten, die Kuhherden weiden oder in Semiliguda auf der Straße betteln. Auch während meiner Zeit in Kondh Pungar habe ich in der ganzen Woche nur einmal ein Kind von der Schule zurück kommen sehen. Als ich einige Kinder gefragt habe, warum sie nicht in der Schule seien, antworteten sie entweder, dass ihr Lehrer einfach nicht gekommen sei, oder er sich krankgemeldet hat.
Dieses „Lehrerproblem“ ist sehr gravierend in Orissa. Keiner überprüft ernsthaft die Anwesenheit der Lehrer in den abgelegenen Schulen, wodurch die Lehrer einfach nicht kommen müssen und ihr Geld leicht verdienen. Eigentlich gibt es in jedem Dorf einen Ausschuss, der sich um die Schulangelegenheiten, also auch die Lehreranwesenheit, kümmert. Es ist jedoch sehr einfach für die Lehrer die Dorfbewohner einzuschüchtern, da Leuten mit Bildung hier sehr großer Respekt entgegen gebracht wird und es kaum einer wagt sich jemandem mit einer Position, wie der eines Lehrers, entgegenzustellen, auch wenn sich die Betroffenen natürlich sehr unfair behandelt fühlen. Wer sich als einzelne Person gegen den Lehrer stellt muss damit rechnen, dass sein Kind in der Schule keine Chance auf eine gerechte Behandlung hat. Auf der anderen Seite erfährt jemand, der auf die Seite des Lehrers stellt, die Ablehnung des ganzen Dorfes, bekommt jedoch oft etwas Geld vom Lehrer und dem Kind geht es auch besser. Stellt sich ein ganzes Dorf gegen den Lehrer, wie es auch schon oft vorgekommen ist, so kommen die Lehrer meistens garnichtmehr in die Schule. Als WIDA dann bei der Regierung das Problem angesprochen hat, bekamen sie die Antwort, dass sich der Lehrer stark bedroht gefühlt hat und beschützt werden muss. Das zeigt, dass die Behörden sehr hinter den Lehrern stehen und keine Maßnahmen gegen die Verhältnisse ergriffen werden.
Vom 16. bis zum 19.11.2011 waren wir mit einigen WIDA-Mitarbeiten in der Küstenstadt Vishakhapatnam auf dem 11. Kindernothilfe Partners Meeting.  Dort trafen sich alle Partnerorganisationen der Kindernothilfe aus Indien. Sie stellten sich ihre Projekte gegenseitig vor tauschten sich über ihre Arbeiten aus. Das Hauptthema war „Right to Education“ und es wurden Wege ausgearbeitet, um die Probleme stärker in die Öffentlichkeit zu bringen und die Regierung stärker unter Druck zu setzen. Die Bridge Course Camps von WIDA sind ein Teil dieser Aktionen. Dort werden Kinder, die entweder noch nie in der Schule waren, oder aber auf Grund von verschiedenen Gründen nichtmehr zur Schule gehen können, auf die normale Schule vorbereitet. Der Unterricht findet insgesamt zehn Monate lang statt. In dieser Zeit werden die Kinder auf die 5. oder 7. Klasse vorbereitet, damit sie ihre Ausbildung auf einer normalen staatlichen Schule abschließen können. Somit wird ihnen die Möglichkeit gegeben die verpassten Unterrichtsinhalte aufzuholen. Für viele Kinder ist dies die letzte Möglichkeit überhaupt noch zur Schule zu gehen. Die meisten mussten zuhause bleiben, um ihren Eltern auf dem Feld zu helfen, oder die Eltern hatten einfach kein Geld, um das Kind zur Schule zu schicken. Ein Mädchen zum Beispiel wollte unbedingt zur Schule im 3 km entfernten Nachbardorf. Der Weg dorthin war jedoch zu gefährlich, als dass sie dort alleine hätte hingehen können und ihre Mutter hatte nicht genügend Geld, um sie auf eine staatliche Schule mit Schlafmöglichkeit zu schicken. Somit ist sie jahrelang nicht zur Schule gegangen, bis sie von dem Bridge Course Camp gehört hat und ihre Mutter gebeten hat sie dahin zu schicken.
Eigentlich muss per Gesetz jedes Kind in Indien eine Grundschule in 1 km Entfernung haben. Auf den Dörfern in dieser Gegend können die Kinder jedoch froh sein, wenn sie nur 3 km gehen müssen.

In den nächsten Monaten werden wir für WIDA und die Kindernothilfe die Berichte über die 300 Kinder, die hier mit Geldern unterstützt werden, überarbeiten und neuschreiben. Hierzu werden wir auf die Dörfer fahren und die Kinder interviewen. Diese Berichte werden dann an die Kindernothilfe nach Deutschland geschickt und von dort an interessierte Spender verteilt, die dann das Kind ihrer Wahl finanziell unterstützen.
Hier auf meinem Blog findet ihr unter „interessante Seiten“ einen Link zum Artikel über die Zusammenarbeit von WIDA und der Kindernothilfe auf deren Website.




Kinder mit Slogans

Stundenplan am Bridge Course Camp

Bridge Course Camp für Jungs

Samstag, 29. Oktober 2011

Meine erste Dorfwoche


Das Dorf

Das Dorf, in dem ich vom 15. Bis zum 21. 10. eine Woche verbracht habe nennt sich Kondh Pungar. Es liegt in den Bergen in der Nähe der kleinen Marktstadt Kunduli, ungefähr 3 Kilometer von der Hauptstraße entfernt und besteht aus 20 Familien und ca. 100 Einwohnern. Die Häuser  wurden in zwei Reihen Wand an Wand gebaut  und zwischen diesen Reihen befindet sich ein langer gepflasterter Platz mit einem kleinen Kanal in der Mitte. Dieser Kanal geht von einem Teich oberhalb des Dorfes durch das Dorf und auf der anderen Seite wieder hinaus. An vielen Stellen zweigen Arme in die Felder ab, um diese zu bewässern. In Norden, Osten und Süden ist das Dorf mit Bergen umgeben und nur im Westen führt eine Straße aus dem Dorf durch die Felder über einige Hügel an einem großen Internat vorbei zur Hauptstraße, die in der einen Richtung nach Semiliguda und in der anderen Richtung nach Kunduli geht.
Hinter den Häusern befinden sich in kleinen Ställen die Kühe, Ziegen und Hühner. Die Kühe werden nicht für Milch sondern fast nur für die Feldarbeit benutzt und befinden sich ansonsten tagsüber in den Hügeln um das Dorf herum. Die Hühner und halbwilden Hunde laufen den ganzen Tag durchs Dorf, ohne dass irgendwie zu erkennen wäre zu wem sie gehören und wie sie immer wieder abends zurück kommen.

Blick auf die Felder vom Dorf (morgens)

Blick während des Feuerholz sammelns

Die Unterkunft

Geschlafen habe ich eine Woche im sogenannten Community Center, einem kleinen Raum am Ende des Dorfes. Dort schlief ich auf dem Boden zusammen mit mehreren Jugendlichen aus dem Dorf, die mich dort nie hätten alleine schlafen lassen und sich extra vor die Tür gelegt haben, während ich im sicheren hinteren Teil des Raumes schlafen durfte. Obwohl es tagsüber bis zu 35°C heiß war, musste ich trotzdem mit Strümpfen, langer Hose, Pullover und doppelter Decke schlafen, da es über Nacht auf nur 2°C abkühlte und es keinen Unterschied zwischen der Temperatur drinnen und der Temperatur draußen gab.
Die Toilette befand sich etwas außerhalb, hinter einem Haus, welches noch im Bau war und war nur für Besucher, da ansonsten jedes Haus ein eigenes Klo im kleinen Hinterhof hatte. Die Toilette war eigentlich Klo und Dusche in einem. Zum einen ein Loch im Boden und zum anderen ein Wasserhahn an der Wand.
Essen bekam ich von der Familie des Dorfführers. Mal hat seine Frau gekocht, mal der Sohn Suri und mal Lenin (ein Student aus Chennai, der auch bei WIDA zu besuch ist), Mohan (der WIDA Mitarbeiter, der teilweise auch in Kondh Pungar lebt) und ich. Zum Frühstück gab es Reis mit Dal (eine Linsensoße, die fast immer zu Reis gegessen wird) und gekochtes Gemüse. Zum Mittag gab es das selbe wie zum Frühstück, da vormittags alle auf dem Feld, in den Bergen oder an der Straße arbeiten und daher morgens schon für den Mittag mit kochen. Abends gibt es dann wieder Reis mit Dal oder Samba (ähnlich wie Dal nur dünnflüssiger und mit mehr Gemüse) und gekochtem Gemüse. Also drei Mal warm, was hier ziemlich normal ist und da die Arbeit auf dem Feld sehr anstrengend ist gibt es immer reichlich, vor allem morgens. Zwei Tage nach meiner Ankunft wurde auf dem Nachbardorf eine Kuh geschlachtet, wo die Jungs mich mit hin nahmen. Abends gab es dann also als großes Festessen Kuh und hierzu wurde wirklich alles gegessen, was eine Kuh so hergibt. Also vom normalen Fleisch über die Zunge, Herz, Leber, Haut bis zum Gehirn. Wahrscheinlich denken jetzt einige, dass „der Inder“ doch gar keine Kuh essen darf. Die Adivasi sind jedoch oft keine Hindus, sondern praktizieren ihre eigenen Naturreligionen, welche sich über Jahrhunderte in ihren Dörfern entwickelt haben. Einige wurden Christen, einige Hindus und die meisten blieben bei ihrer alten Religion und übernehmen wenn überhaupt nur einige Dinge, die ihnen gefallen von anderen Religionen.
Einige Tage später wurde in der Nähe des Dorfes dann ein Wildschwein gefunden, welches ebenfalls gerecht unter allen Familien verteilt wurde und ebenfalls sehr lecker zubereitet und vollständig verspeist wurde.

Mein Tagesablauf


Eigentlich habe ich die Woche über so ziemlich das gemacht, was die Leute, mit denen ich gelebt habe, gemacht haben und weil es so heiß und anstrengend war tagsüber, konnte ich nachts immer herrlich schlafen.
Die meisten standen morgens immer noch vor Sonnenaufgang auf, also gegen 5 Uhr. Am Anfang bin ich noch mit aufgestanden. jedoch wurde es die Woche über immer später, da die Jugendlich, die im selben Zimmer schliefen auch nicht viel vom frühen aufstehen der Erwachsenen hielten. Viele saßen dann erst mal vor ihren Häusern um kleine Feuer herum, um sich zu wärmen, bis es hell genug war um mit der ersten Arbeit zu beginnen.  Zwischen 7 und 8 Uhr gab es eine Tasse Chai. Chai ist schwarzer Tee, nur dass statt Wasser Milch benutzt wird und je nach Geschmack auch noch Gewürze, wie zum Beispiel Ingwer und Kardamon. Dann wurde das Frühstück zubereitet und zwischen 9 und 10 Uhr gegessen. Zwischen aufstehen und frühstücken, gingen viele schon auf die Felder, um die kühle Morgenluft zu nutzen. Dann wurde wieder bis zum Mittagessen gearbeitet, während die Temperatur gnadenlos anstieg. Nach dem Mittagessen ging es wieder an die Arbeit, wobei jedoch einige wegen der hohen Temperatur eine kleine Pause gemacht haben. Gearbeitet wurde dann bis es dunkel wurde, also bis ungefähr 6 Uhr. Danach bildeten sich wieder kleine Gruppen um die Lagerfeuer und es wurde sehr viel geredet und gesungen, nur dass ich leider nicht so viel verstanden habe. Im ganzen Dorf gab es nur einen Mann, der etwas gebrochenes Englisch konnte und ich kann leider noch weniger Kuwi (die Sprache, die von den meisten Adivasi gesprochen wird) und auch noch nicht so viel Oriya (die Sprache, die in Orissa gesprochen wird), dass ich die langen Lieder verstehen könnte. Zwischen 9 und 10 Uhr gingen dann die meisten wieder ins Bett.
Tagsüber habe ich verschiedene Leute bei ihrer Arbeit begleitet und so gut es ging mitgearbeitet. Ich ging mit einer Gruppe Mädchen in den Bergen Feuerholz holen, habe einen Hirten begleitet und so gut es ging beim Pflügen geholfen. Als ich dort war hatte es schon seit über zwei Wochen nicht mehr geregnet. Daher musste ich mit mehreren Jugendlichen die eine Wasserpumpe, die das Dorf hat, von Teich zu Teich tragen, um die Felder zu bewässern. Mohan sagte mir am Tag bevor ich das Dorf wieder verlassen musste, dass die Regierung kurz davor war Dürre auszurufen, für diese Region und das machen sie wirklich erst, wenn es wirklich schlimm ist, da sie dann die Bauern unterstützen müssen. Zum Glück hat das Dorf über die ganzen Felder verteilt kleine Teiche angelegt, von denen sie Wasser abpumpen können. Außerdem wird zurzeit eine Straße von der Hauptstraße bis nach Kondh Pungar gebaut, an der die Dorfbewohner selber arbeiten. Dafür bekommen sie 90 Rs pro Tag, was umgerechnet ungefähr  1,40 € sind. Ich selber habe kurz den Zement, der von einem Jugendlichen an gemischt wurde in Schüsseln geschaufelt, die die Frauen dann auf ihren Köpfen dorthin balancierten, wo eine kleine Mauer zur Abgrenzung der Bewässerungsgräben gebaut wurde. Den ganzen Tag über wurde der extrem schwere Zement geschleppt, wobei einige Mädchen nicht älter als 14 Jahre alt waren.
Nach getaner Arbeit wurde ich dann von einigen Jugendlichen ins Nachbardorf mitgenommen, um mit ihnen eine Runde Reisbier zu trinken und zu entspannen.
Ansonsten habe ich viel mit den Kindern gespielt, die während die Leute ab 14 Jahren auf den Feldern gearbeitet haben gegenseitig auf sich aufgepasst haben. Oft müssen Mädchen, die in Deutschland nicht einmal in der Grundschule wären auf ihre kleinen Geschwister aufpassen und tragen sie überall mit hin. Außerdem habe ich spontan einer Gruppe Mädchen Fahrradfahren beigebracht, was jedoch recht schwer war, da es im ganzen Dorf nur Fahrräder für Erwachsene gab.

Pflügen der Felder

Der Hirte Suri

Diese Woche war bis jetzt hier in Indien das intensivste Erlebnis. Ohne Dusche, Toilette und sauberes Wasser ist das Leben doch sehr anders, jedoch nicht unbedingt schwieriger, wenn man sich darauf einlässt. Die Menschen auf den Dörfern sind alle sehr herzlich und nett und obwohl sie selber fast nichts haben, kommt es einem als Besucher immer so vor, als würde es einem an nichts fehlen.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Children Movement for Climate Justice

Am  4. und 5. 10. wurde hier auf dem Gelände von WIDA ein regionales Treffen des Children Movement for Climate Justice (CMCJ) gehalten. Hierzu trafen sich drei Kinder- und Jugendgruppen aus den Staaten Orissa und Andhra Pradesh um sich über die Gründe und Auswirkungen des Klimawandels auszutauschen. Viele der Kinder haben in ihren Gruppen schon sehr viel über dieses Thema gelernt und wir merkten schnell, dass die Kinder mit einer etwas praktischeren Variante von Naturschutz groß werden. So wurde zum Beispiel zum Thema Recycling vorgeschlagen, die Hälse der Plastikflaschen abzuschneiden und den unteren Teil der Flasche als Stiftständer zu benutzen. Auf den zweiten Blick erscheint das hier wirklich als die beste Möglichkeit, da es keine öffentlichen Mülleimer oder Sammelstellen für Dinge wie Plastik gibt und erstrecht kein Pfandsystem.
Eine Gruppe ist bei diesem Treffen am meisten aufgefallen. Sie trifft sich jeden Sonntag in Andhra Pradesh und wird von der Frau unseres Chefs Stanley geleitet. Sie haben regelmäßige Fernsehauftritte und Treffen mit Politikern und werden unteranderem von der Kinder Nothilfe aus Deutschland unterstützt. Außerdem sind sie oft unterwegs um die verschiedenen Ökosysteme ihrer Umgebung zu Registrieren und zu untersuchen. Dies reicht von den Feldern der Bauern über Seen und Flüsse bis zur Küste.
Alle Kinder der Gruppen kommen aus sehr armen Familien und viele brauchen Unterstützung von Organisationen wie WIDA, damit ihre Eltern sie in die Schule lassen und nicht auf den Feldern benötigen werden.
Ein Höhepunkt des Treffens war der kulturelle Abend. Hier wurde Theaterstücke zum Thema Waldsterben und den Problemen der Ureinwohner aufgeführt. Am meisten Energie steckten die Jungs jedoch in die Bollywoodtänze, von denen sie erstaunlich viele auswendig kennen und wie ein Held, der noch vor Sekunden ganz Indien gerettet hat, zelebrieren.
Am Abreisetag wurde wir um fünf Uhr morgens von allen Kindern aus dem Schlaf geschrien und geklopft, weil sie uns unbedingt noch verabschieden wollten. Auch wenn wir am Abend vorher schon gewarnt wurden, haben wir uns doch erschrocken, als eine Horde von Kindern versuchte das Zimmer zu stürmen, was wir zu Glück aus weiser Voraussicht gut verriegelt hatten.

bei der Arbeit

Vortrag von einem Mädchen

Die ganze Gruppe

Montag, 3. Oktober 2011

Gottesdienst und Elefanten


Am 3.10.11 haben wir drei zum ersten Mal einen indischen Gottesdienst besucht und man kann nicht sagen, dass es in irgendeiner Weise mit deutschen Gottesdiensten zu vergleichen ist. Wir wurden vom Pastor Dinesh auf sein Dorf Letiguda eingeladen. Wir hatten ihn schon in Hamburg kennengelernt, da er ein sehr guter Freund unseres Oriyalehrers ist und kurz bevor wir nach Indien fuhren in Hamburg einen Sprachkurs besuchte. Kurz nachdem wir dann hier waren besuchte er uns hier auf dem Campus und lud uns zu sich ein.
Insgesamt waren wir 4 Stunden in der Kirche, haben nicht wirklich viel verstanden und trotzdem war mir überhaupt nicht langweilig. Teilweise war die Stimmung in der Kirche mit einem überdurchschnittlich guten Rockkonzert vergleichbar. Die Jugendlichen des Dorfes hatten Tanzchoreographien einstudiert zu ihren Liedern und wurden von einem wirklich guten Schlagzeuger begleitet, während die ganze Kirche mit klatschte. Am Anfang wurden wir als Gäste vorgestellt und von einigen wichtigen Leuten begrüßt. Die Predigt war eine sehr interessante Mischung aus spirituellen und praktischen Ratschlägen und wir hatten das große Glück, dass einige Jugendliche in der Lage waren uns ein bisschen was aus Oriya in Englisch zu übersetzen. Zum Beispiel gab Dinesh eine Anleitung, wie man am besten mit Elefanten umgeht, die zurzeit ein großes Problem sind in Letiguda, worüber gleich ein bisschen was kommt. Zum Abendmahl jeder einzeln nach vorne gebeten. Am Ende gab jeder etwas in die Kollekte für die Kirche. Diese Spende reichte von Beuteln mit Reis über Geld bis hin zu Hühnern, die zum Altar gebracht wurden. Zwischendurch hatten wir uns schon gewundert, warum jemand ein Huhn mit in die Kirche gebracht hat, welches erstaunlich ruhig blieb. Anscheinend werden teilweise sogar Ziegen und Kühe mitgebracht. Jeder Vorne am Altar war schüttelt dem Pastor, dem Dorfvorsitzenden und dem Schatzmeister die Hand, um sich dann hinter diese in eine Schlange aufzustellen. So hat am Ende jeder der 300 Besucher jedem anderen die Hand geschüttelt. Viele Mädchen und einige Frauen berührten als Zeichen des Respekts den älteren Männern uns als Gästen die Füße nachdem sie uns die Hand geschüttelt hatten.
Nach dem Gottesdienst wurden wir von Dinesh zum Essen bei ihm zuhause eingeladen. Vor zwei Jahren wurde er Pastor in Letiguda und den benachbarten Dörfern und hat seit dem sehr viel bewegen können. Zum Beispiel hat eine Pfadfindergruppe gegründet, nachdem er eine in Deutschland kennengelernt hat,  bei der alle Jugendlichen des Dorfes mitmachen. In dieser Gruppe lernen sie ihre Umgebung kennen und lernen einiges über aktuelle Themen, wie Klimawandel und Naturschutz. Jeden Sonntag gibt es außerdem noch eine freiwillige Sonntagsschule und täglich Nachhilfeunterricht. Regelmäßig pflanzen die Jugendlichen Bäume und legen eigene Gärten mit Obst und Gemüse auf dem Gelände der Kirche an. Kurz bevor es dunkel wurde machten wir noch einen kleinen Spaziergang durch das Dorf und über das Kirchengelände. Um einen kleinen Blick auf den Friedhof zu werfen mussten wir etwas aus dem Dorf gehen, da dieser auf der anderen Uferseite eines kleinen Flusses liegt, damit keine Geister von dort ins Dorf gelangen. Auf dem Weg dorthin sahen wir dann plötzlich, wovon uns schon die ganze Zeit erzählt wurde und was wir eigentlich nicht zu hoffen gewagt hatten. Auf der anderen Seite vom Fluss oben auf dem nächsten Hügel wanderten drei Elefanten. Ein kleiner und zwei sehr große. Diese Gruppe von insgesamt neun Elefanten tyrannisiert schon seit einigen Tagen die Gegend um Letiguda und in der Nacht vor unserem Tag hatten sie mal wieder das Dorf besucht und es war noch viel von der Verwüstung zu erkennen. Umgeknickte Bananenbäume, kaputte Häuser und Reste von den Feuerbarrikaden, mit denen die Einwohner versucht hatten die Gruppe aufzuhalten. Das ganze Dorf war die Nacht über wach, um die Elefanten mit Trommeln, Feuer und Stöckern fernzuhalten, was jedoch nicht viel gebracht hat. Der Erzählung nach soll einer der Elefanten die Wasserpumpe benutzt haben, um an Wasser zu kommen, mit dem er dann die Feuer löschte. Dann soll die Gruppe zielstrebig auf das Haus zugegangen sein, in dem am meisten Reis gelagert war. Einer riss das Haus nieder und die Gruppe fing an zu essen. Anschließend sollen sie ohne großen Kommentar still und friedlich abgezogen sein. Eigentlich wurden in Orissa und in gerade dieser Gegend schon lange keine Elefanten mehr gesehen, jedoch muss es diese Gruppe auf der Suche nach Futter bis hier in die Berge verschlagen haben, was mir gestern den ersten Kontakt mit wilden Elefanten beschert hat und es war wirklich ein Imposanter Anblick, als die Gruppe auf die Spitze des Hügels zog. Ich hoffe nur, dass sie letzte Nacht nicht auf der falschen Seite vom Hügel runter kamen, sondern das Dorf in Ruhe ließen. Das werde ich jedoch sicher die nächsten Tage erfahren und natürlich berichten.

Samstag, 1. Oktober 2011

Micro-Hydro-Projekt in Bodisil


Am 29.9.11 besuchten wir das Dorf Bodisil, um dort das Micro-Hydro-Projekt kennen zu lernen. Auch wenn das Dorf nur 30 km von Semiliguda entfernt ist, hat die Fahrt dorthin ganze zwei Stunden gedauert. Es liegt sehr abgelegen in den Bergen und die Fahrt führte vorbei an Reisfeldern in weiten, grünen Tälern, über enge Serpentinen auf Hochebenen hinauf und entlang an wilden Flüssen in engen Schluchten. Die meiste Zeit ist die Straße eigentlich nur eine Schotterpiste und wirklich nur mit Jeeps befahrbar. Teilweise wird, anstatt eine Brücke zu bauen, die Straße einfach unterbrochen und auf der anderen Seite des Flusses weitergeführt. Von den Bergen aus sehen die Täler wie ein riesiger grüner Ozean aus und abgesehen von einigen Vögeln sind keine Lebewesen zu sehen.
In Bodisil wurden wir wieder, wenn auch nicht so groß wie in Pendajam, sehr herzlich begrüßt. Anstelle von Solarenergie wird hier das Wasser genutzt, welches in genügenden Mengen den Berg runterkommt. Hierfür wurde etwas oberhalb  des Dorfes, mitten zwischen die Reisfelder,  ein ca. zwei Meter tiefes Auffangbecken gebaut. Von dort führt ein schmaler Kanal durch die Felder in ein weiteres, kleineres Becken. Dort ist ein Wasserhahn zum waschen und wasserholen angebracht. Außerdem führt von hier ein etwas mehr als 100 Meter langes, verschließbares Rohr bergab in ein kleines Gebäude. Dort befindet sich eine Turbine, welche durch das Wasser angetrieben wird und die Energie über ein Rad, welches über einen Riemen mit einem Rad am Generator verbunden ist, an diesen weitergibt. Im Generator wird die Bewegungsenergie in Strom umgewandelt, welcher in Zukunft das Ganze Dorf versorgen soll.
Leider konnte auf Grund einiger kleiner Fehler in der Konstruktion das Projekt noch nicht erfolgreich getestet werden. So fehlten an einigen Verbindungsstellen Dichtungen, wodurch an diesen Stellen Wasser austrat. Erst gegen Abend war der erste Test erfolgreich, was wir jedoch nicht mehr mitbekamen. Wir mussten zusammen mit einem der Techniker, welcher noch einige Teile aus Semiliguda holen musste, zurückfahren. In Bodisil gab einen Konflikt mit Maoisten, die in einen Informanden der Regierung gefunden zu haben glaubten, jedoch den falschen Mann erwischten. Die Rückfahrt bei Nacht wäre also ein unnötiges Risiko gewesen für uns.
Aus den Erzählungen der WIDA Mitarbeiter, welche erst abends zurückkamen, wurde wieder deutlich, wie wichtig dieses Projekt für das Dorf ist. Als die Lampe, welche an den Generator angeschlossen war, anfing zu leuchten fingen alle an zu klatschen und zu tanzen. Auch hier ist es das erste Mal, dass das Dorf mit Strom versorgt wird. 

grünes Tal mit Kühen

wilder Fluss

Hochebene

Reisfelder von Bodisil

Bodisil

technischer Leiter des Projekts

Die Turbine

Teil des Stausees

Kanal vom Stausee zum Auffangbecken

Montag, 19. September 2011

Registrierung von Menschen mit Behinderungen


Am 15. und 16. September haben wir die Mitarbeiterin Sunanda bei ihrer Arbeit begleitet. Zurzeit fährt sie täglich auf einige Dörfer, um dort Menschen mit leichten bis sehr schweren Behinderungen zu registrieren. Dieses Projekt ist Teil eines viel größeren Projekts, welches in Zusammenarbeit von WIDA, dem NMZ, JELC (Jeypore Evangelical Lutheran Church) und dem Arzt Dr. Suna entstand. Seit Juni wird ein Krankenhaus bei Semiliguda ausgebaut und erweitert, um dort einen Ort zu gründen, um Menschen, welche keinen Arztbesuch bezahlen können zu behandeln und  zu versorgen.
Theoretisch werden Menschen mit Behinderungen vom Staat unterstützt. Viele Wissen dies jedoch nicht und viele, die es wissen, wissen nicht, wie sie an diese Gelder gelangen. Hierzu fährt Sunanda auf die Dörfer, um diese Menschen und deren Behinderungen zu registrieren und dies dann an den Staat weiterzugeben.
Viele er Dorfbewohner leiden an Blind- und Taubheit. Dies liegt wahrscheinlich am Verzehr von Bergsalz, welches bei regelmäßigem einnehmen nach einiger Zeit diese Veränderungen im Körper hervorruft.
Insgesamt werden 120 Dörfer registriert und die Arbeit ist nur früh morgens und abends möglich, da tagsüber alle Erwachsenen und Jugendliche auf den Feldern arbeiten.
Viele Menschen mit Krankheiten und Behinderungen leben außerhalb der Dorfgemeinschaft. Dies betrifft vor allem Frauen, da diese ohne einen Ehemann nicht ausreichend versorgt werden. Außerdem leiden viele Kinder unter den Folgen von Malaria, da sie keine ausreichende Betreuung und Versorgung bekommen haben. Allgemein gibt es kaum Ärzte, die freiwillig diesen Teil der Bevölkerung betreuen, da jeder lieber in die lukrativeren Städte zieht, wo die Menschen wohlhabender sind. Dr. Sunan ist hier im Koraput District der einzige bekannte Arzt, der sich schon seit Jahren um die Dorfbevölkerung kümmert.

Auf dem Weg ins Dorf

Sunanda bei ihrer Arbeit

Augentest

Sunanda und unserer Fahrer

interessierte Kinder